Das tägliche Projektchaos beherrschen | agile, kanban, methode, projektmanagement

Der Einsatz von Kanban im Bereich der Entwicklung von Plattformen und Applikationen bewährt sich. Wir alle kennen das Problem: Zu wenige Mitarbeiter, zu wenig Zeit und zu viel Arbeit die erledigt werden soll. Dies führt dazu, dass man zu viele Aufgaben beginnt und sich schnell verzettelt und keine Aufgabe schnell erledigen kann. Hinzu kommt, dass geistige Tätigkeiten nicht wirklich greifbar sind. Doch es gibt Möglichkeiten, das tägliche Chaos zu strukturieren, zu ordnen und die Arbeitsleistung zu verbessern. Eine dieser Möglichkeiten ist Kanban.

Was ist Kanban?

„Kanban“ stammt aus dem Japanischen und setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: KAN (visualisieren) und BAN (Karte, Tafel). Das bedeutet, dass Prozesse mittels Kärtchen (sogenannten Tickets) auf einer Tafel (dem Kanban-Board) übersichtlich dargestellt werden. Entwickelt wurde dieses Prozessmanagement-System um 1940 vom Autohersteller Toyota für die Fertigungssteuerung in seinen Farbiken. Damit konnten die Durchlaufzeiten in der Automobil-Produktion deutlich verringert werden.

Kanban-Board mit unterschiedlichen Lanes und Spalten

Kanban macht Engpässe sichtbar.

Der Kern von Kanban ist die Visualisierung der Tätigkeiten und der Optimierung des Arbeitsprozesses. Tätigkeiten ohne physische Handlung sind meist schwer darzustellen; daher ist es auch schwierig, dort Engpässe zu finden. Mit Kanban werden alle Aufgaben visuell und greifbar an einem Board dargestellt: Damit wird direkt offensichtlich, wer woran arbeitet und wo die Zeit investiert wird bzw. wo Zeit verschwendet wird. Der gesamte Arbeitsprozess kann nachverfolgt und nachvollzogen werden.

Durch die Visualisierung werden Engpässe von Aktivitäten und Veränderungen (Changes) viel besser sichtbar als in Applikationen, Datenbanken oder Excel-Tabellen.

Lade nicht mehr auf deinen Teller, als du essen kannst.

Ein wichtiger Grundsatz von Kanban lautet: Fang nur so viele Aufgaben an, wie du sinnvollerweise bearbeiten kannst. Durch die Begrenzung der laufenden Arbeiten gibt es weniger offene Baustellen gleichzeitig. Auf eine kleinere Anzahl an Tätigkeiten kann man sich besser konzentrieren, und diese schneller und effektiver abarbeiten. Dadurch kommt es nur selten zu Engpässen oder„Flaschenhälsen“.

Das Prinzip des stetigen Wandels

Kanban heißt nicht, bestehende Strukturen über den Haufen zu werfen und alles komplett neu zu erfinden. Kanban hilft dabei, laufende Prozesse stetig zu verbessern, ohne zu stark in die Organisation einzugreifen. Dieses evolutionäre Change-Management lässt sich in vier Grundregeln zusammenfassen:

  1. Beginne mit dem, was du gerade tust.
  2. Respektiere die bestehenden Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten und Hierarchien.
  3. Nimm innerhalb dieser Strukturen überall schrittweise kleine Verbesserungen vor.
  4. Fördere Führungsverhalten auf allen Ebenen in der Organisation.

Klingt gut – aber funktioniert das auch?

Kanban in der Praxis: Wo anfangen

Zu Beginn sollte man ein Board aufsetzen mit den grundlegenden Spalten. In einem Workshop an dem alle Mitarbeiter teilnehmen sollten, sollten die Grundregeln besprochen und definiert werden und auch der Prozess am Board und die Spalten sollten besprochen werden. Es ist wichtig alle Mitarbeiter einzubeziehen um auch wirklich alle Informationen und Blickwinkel zu beachten, sowie jeden dort abzuholen wo er sich befindet.

Das wichtigste Werkzeug in einem Workshop: Zettel und Stifte

Nach dem das Board und die Grundregeln feststehen, kann mit der „Befüllung“ des Boards begonnen werden. Dabei ist zu beachten, dass neue To Do’s beim täglichen Stand-Up zuerst ins Backlog eingefügt werden und mit dem Team kurz besprochen werden sollten.

Dies gilt besonders für die Priorisierung der Aufgaben, da nicht alle Aufgaben gleichwertig sind. So ist dem Team bewusst, welche Aufgaben als nächstes bearbeitet werden sollten.

Eins nach dem anderen!

Jede Aufgabe (Ticket) wandert auf dem Board von links nach rechts und durchläuft nacheinander die definierten Spalten bis sie erledigt ist. Die grundlegenden sinnvollen Spalten, die jedes Board besitzen sollte, sind wie folgt:

  • Backlog
  • Doing
  • Blockiert
  • Abnahme
  • Done

Das Ticket sollte die wichtigsten Informationen enthalten wie z.B. den Arbeitstitel, Auftrag vom Kunden oder interne Verbesserung, und sollte Platz für Markierungen bieten z.B. für Priorisierungen. Mit farbigen Punkten können die verschiedenen Teams/Gewerke etc. dargestellt werden, die bei dem Ticket involviert sind. Es sollte auf jeden Fall Platz für die Darstellung des Mitarbeiters auf dem Ticket sein, um schnell nachvollziehen zu können wer gerade mit dem Ticket beschäftigt ist bzw. wer gerade blockiert ist.

Die Tickets bewegen sich also von links nach rechts über das Board, die Bearbeitung erfolgt jedoch von rechts nach links. Somit wird zuerst angefangene Arbeit beendet, bevor eine neue begonnen wird. Neue Tickets dürfen erst aus dem Backlog gezogen werden, wenn sich auf der rechten Boardhälfte keine offenen Tickets mehr befinden.

Dank dieser Darstellung kann man jederzeit auch Kunden zeigen, dass nicht nur ihr Thema zurzeit bearbeitet wird, sondern etliche andere dazu. Genauso kann das Kanban-Board zur Info für andere Teams dienen, die dort sofort sehen können, welchen Status ein bestimmtes Ticket hat.

Immer schön flexibel bleiben.

Damit auch jedem klar ist, wann ein Ticket in die nächste Spalte zieht, sollte es die „Definitions of Done“ (DoD) geben. Diese Definitionen, wann ein Schritt abgeschlossen ist, sind selbst auferlegt und können jederzeit in Frage gestellt werden. Auf diese Art sind auch die Kanban-Regeln definiert. Es ist nichts in Stein gemeißelt und eine Regel lautet: „Regeln laufend anpassen“. Dies sollte in einer monatlichen Verbesserungsrunde – der sogenannten „Retrospektive“ – geschehen, an der jedes Teammitglied teilnehmen sollte. Hier kann jeder sein Feedback abgeben und Verbesserungsvorschläge oder auch Kritik äußern. Schließlich ist es der Mensch, der Kanban zum Leben bringt und es am Leben hält. Die Ideen, Möglichkeiten und die Kritik jedes Einzelnen definieren das Board und wie es zusammen gelebt wird.

Kanban fördert eine gesunde Feedback-Kultur!

Feuerwehr: Wenn’s mal brennt.

An die bestehenden Regeln sollten sich alle halten – einzig das Feuerwehr-Ticket kann sich darüber hinwegsetzen, da es vorrangig behandelt werden muss. Es sollte farblich herausstechen um die Dringlichkeit zu visualisieren. Ein solches Ticket ändert die Definition von „Priorisiert“ zu „Wirklich dringlich“. Es sollten nie mehr ein bis zwei solcher Tickets am Board sein, da sie den gesamten Arbeitsablauf blockieren können. Sollten es doch immer mehr sein, sollte die Ursache gesucht werden, da anscheinend im System oder Prozess ein Fehler enthalten ist.

Kann das was oder kann das weg?

„Und was ändert sich dadurch?“ – Einiges! Schon binnen weniger Monate nach dem ersten Workshop werden sich viele positive Veränderungen bemerkbar machen. Durch die täglichen Treffen mit allen Teammitgliedern am Kanban-Board, die maximal 15 Minuten dauern, verbessert sich die Kommunikation deutlich. Woran gerade gearbeitet wird, ist für alle viel sicht- und greifbarer. Probleme werden schneller gelöst, unnötiger E-Mail-Verkehr wird minimiert und die Abläufe klappen einfach reibungsloser. Dass sich in dieser Runde auch Mitarbeiter treffen, die sonst nicht täglich miteinander zu tun haben, stärkt den Zusammenhalt und ist gut fürs Gruppenklima. Die direkte Kommunikation wird gefördert.

Tägliche Meetings zur Besprechung der Aufgaben fördern das Teamklima und verbessern den Arbeitsablauf.

Meiner Erfahrung nach zieht sich der Kanban-prozess zu Beginn recht zäh und man muss viele kleine Stellschrauben drehen und Probleme überwinden. Wenn aber diese erst überwunden sind und die Stellschrauben richtig eingestellt sind wird sich nicht nur die Arbeitsleistung verbessern, sondern auch die Mitarbeitermotivation steigt und das gesamte Unternehmensklima wird angenehmer.